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Architekturbüro

Lechner & Lechner 

Elegantes Wohnregal - Architektur Werkstatt

WOHNEN / Eva Mattes

Dachterrasse und Rosengarten. 

"Wenn im Sommer der Rollbalken oben ist, dann kann es schon passieren, daß sich der eine oder andere Tourist herein ins Atelier verirrt und neugierig eine Runde dreht" erzählt Reinhold Sams, Mitarbeiter im Architekturbüro von Christine und Horst Lechner. Letzteres befindet sich in der Salzburger Altstadt, unweit von Mozarteum und Landestheater, und wird von seinen Eigentümern als "Zufallsgriff" bewertet. Was durchaus wörtlich zu nehmen ist: In der ehemaligen Auto- und Fahrradwerkstätte, die zu diesem Zeitpunkt als Garage fungierte, hatte man vor einigen Jahren geparkt und zufällig erfahren, daß die Räumlichkeiten zu vergeben seien. Das war es auch schon: Innerhalb von drei Monaten wurden sie von den beiden Architekten zu einem komfortablen: Atelier umfunktioniert - und zwar komplett mit Dachterrasse und Rosengarten!

Solch eine Räumlichkeit gewährleistet vor allem eines: Großzügigkeit: Die Architekten wollten daran auch nichts ändern. Der einzige konzeptionelle Eingriff in den Ein_Raum-Grundriß ist denn auch minimal und als solcher kaum wahrnehmbar: In der Tiefe wurde ein Stück des Raumes mittels Glaswand abgetrennt, um dort die Sanitäreinheit unterzubringen. Eine regulierbare Metallic-Lamellen-Jalousie gewährleistet Intimität. Ein wenig abgeschottet wird dieser Bereich durch eine davorliegende Eisentreppe, über die man auf die Dachterrasse des eingeschossigen Gebäudes gelangt.Ihr Sägen-artiger Zick-Zack-Linie schneidet die strenge Linearität des Raumes auf expressive Weise.

Estrich-Podest.

Obwohl der bestehende Grundriss mehr oder weniger beibehalten wurde, bedurfte es drei Monate harter und stressiger Sanierungsarbeit, um die Halle überhaupt bezugsfertig zu machen. "Wir haben eine Ruine übernommen, die so grauslich war, daß man es sich nicht vorstellen kann", erinnert sich Christine Lechner. Das Gebäude war zu diesem Zeitpunkt bereits zehr Monate leer gestanden. Vor allem in Punktion Heizung und Wärmedämmung hatte es aufgrund der unterschiedlichen Nutzung natürlich nie den gängigen Standards entsprochen. Zwischen dem Einst und Jetzt liegen Maßnahmen, die faktisch die gesamte Bausubstanz betreffen: In den bestehenden Hohlraum in der Dachkonstruktion wurde die Wärmedämmung eingeblasen. Da es zu aufwendig gewesen wäre, den vorhandenen Boden anzutasten, setzte man kurzerhand podestartig einen neuen, versiegelten Estrich darauf. Darin sind Isolierung, Elektroverkabelung, Installationen und Fußbodenheizung untergebracht. Die Dachoberlichten wurden mit Isolierglas ausgestattet.

Flexibler Grundriss.

Beim ersten Hinschauen meint man, in eine Location für einen Werbespot geraten zu sein. Doch so trendy, wie sich das coole Werkstätten-Büro-Outfit auch gibt: Die Einrichtung und Ausstattung sind dermaßen ausgeklügelt und funktionsorientiert, wie man es für gewöhnlich nur von Handwerksbetrieben kennt. Das "Herzstück" der Halle bilden verschiebbare Hängeschränke, die auf den bestehenden I-Trägern montiert sind. Für gewöhnlich gliedern sie den Raum in zwei Zonen, um für die Architekten jeweils ungestörtes Arbeiten und Telefonieren zu gewährleisten. Im Fall des Falles ermöglichen die lässigen Container allerdings die verschiedensten Grundriß-Layouts: So lassen sich die paarweise abgehängten Schränke etwa seitlich auseinanderziehen, sodaß mittig eine geschützte Besprechungs- bzw. Präsentationszone entsteht. Ein Raum im Raum. Entsprechend eindrucksvoll ist es denn auch anzusehen, wenn Christine Lechner - anlässlich einer Studentenveranstaltung - den Besprechungsbereich nach und nach dem heftigen Besucherandrang anpasst.

Im Extremfall (etwa bei Veranstaltungsnutzung) bieten die hängenden Stauräume jedenfalls genug Platz, um sozusagen das gesamte Büro darin verschwinden zu lassen. Der Alltag sieht hingegen anders aus: Notizzettel, Pläne, Fotos etc. "kleiden" die - besonders für Präsentationszwecke geeigneten - Fronten der grauen Container aus gebeizten MDF-Platten. Sie sind ein gelungenes Beispiel dafür, wie man aus der Not eine Tugend machen kann: An den Schiebeelementen der Schränke wurde Schaumgummi aufgebracht. Man hat dadurch großzügige Pin-Wand-Flächen erlangt, aber vor allem auch den dringend notwendigen Schallschlucker angebracht. Denn der Raum weist fast ausschließlich harte und glatte Flächen auf.

Vorbildhaftes Altbaurecycling.

Noch heute tauchen im Atelier Leute auf, die ihr Fahrrad zur Reparatur bringen wollen. Was wahrscheinlich auch daran liegt, daß auf die Beibehaltung des Werkstättencharakters besondere Rücksicht genommen worden ist. Hier wurde nicht zu Tode saniert, sondern mit viel Gespür das Flair der ursprünglichen Nutzung erhalten und mit neuen Inhalten versehen. Die Anspielungen an die einstige Bestimmung des Gebäudes sind äußerst subtil, aber zugleich auch allgegenwärtig - vor allem in Hinblick auf den Umgang mit der Funktionalität: Auf den ehemaligen Werkzeugträgern rollen nun je nach räumlichen Bedarf die Möbel hin und her, in den Mauernischen sind Bücher- und Zeitschriftenregale untergebracht, die Arbeitsschächte fungieren als Stauräume. Geblieben ist auch der spartanisch anmutende Estrich, und selbst das rohe, unbehandelte Eisen, das die Lechners für die Stiege verwendet haben, verweist auf die Vergangenheit des Ortes. Wie übrigens auch das markante Stein-Portal aus den zwanziger Jahren.

Atmosphäre statt Perfektion.

Doch noch eine Reminiszenz aus vergangenen Tagen konnten die Architekten herausstreichen: nämlich die großzügigen Oberlichten mit der charakteristischen Sprießen-Unterteilung, welche tagsüber den Raum mit ausreichend Licht versorgen. Den Architekten lag es nicht daran, etwas Neues zu schaffen, vielmehr suchte man mit dem Vorhandenen zu neuen Ereignissen zu erlangen. Bestehende Strukturen wurden nicht getilgt, sondern erhalten oder sichtbar überlagert. Vor allem strebte man nicht die "clean Fertigkeit" an, mit der solche Orte oft behandelt werden. Weil es ein Gassenlokal ist, in dem auch Platz für Mopeds, Fahrräder und andere Beförderungsmittel sein soll, kurz, ein Ort, an dem die Fußmatte obsolet geworden ist. So sind Meter für Meter zwei Welten präsent, inhaltlich und materiell. Und vor allem eine Geschichte, die nicht mit dem falschen Ehrgeiz der Perfektion geschliffen wurde.

WOHNEN 1993

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